Wie kann ich Yoga in COVID-19 Zeiten teilen?

 

Ich weiß noch wie flau sich mein Magen angefühlt hat, wie unsicher ich über die Entscheidung war, als ich mit der ersten ZOOM Stunde den Online Unterricht "mal testen wollte".

 

Da meldeten sich Zweifel und alle meine bösen Geister auf einmal im Kopf:
- Kommt da überhaupt jemand?
- Da übt doch jeder alleine zu Hause, keiner macht dafür seinen Laptop an!
- Da kann man doch auch Videos schauen, da hat man mehr davon!

 

Als Yogalehrerin kam mir Online Unterricht gar nicht in die Tüte:
- Welche Funktion habe ich dann eigentlich noch?
- Wie kann ich Ashtanga Yoga unterrichten, wenn ich den Atem nicht höre - das Herz der Praxis?
- Wie soll eine Mysore Stunde ablaufen, wo der Lehrer praktisch nicht redet und über taktile Hilfestellungen mit dem Yogi kommuniziert??? (das ist schließlich das, worauf mein gesamter Unterricht basiert!)

 

Ich saß gefühlt in einem sinkenden Schiff.

 

Doch wenn ich jetzt vor dem Leuchtschirm die Augen schließe und singe:
OM, vande gurunam caranaravinde...
Geht mir wirklich das Herz auf, wenn ich die Yogis zurück singen höre.
Weil wir zusammen kommen und diesen Raum kreieren. 
Gemeinsam.


Wir sehen uns, atmen zusammen und ich gebe den Raum - einen offenen, sicheren und ruhigen Raum.

 

Es dauerte tatsächlich ein paar Wochen, bis ich das begriffen habe!

 

Dass ich nicht nur in einen Bildschirm reinspreche, sondern nach wie vor diesen Raum bereit halte.

Dieser Raum wie eine Container, ein rundum geschützter Raum für die Praxis.

Nur das dieser nun nicht mehr in Wiesbaden ist, sondern im Schlafzimmer, Büro oder Kinderzimmer.

Dass seine Funktion geblieben ist. Es ist nach wie vor ein Container für die Yogapraxis, um den Übenden dabei zu helfen, ihre eigene Yogapraxis weiter zu entwickeln.
Dass ich weiterhin eine Hilfe sein kann, sie ermuntern kann, den eigenen Weg zu gehen.

Die eigene Erfahrung in den Mittelpunkt zu stellen für die Entfaltung des Selbst von innen nach außen.

 

Wir sitzen zusammen da drin und navigieren ihn auf einem wilden Meer durch diese Zeit.

Es gibt kein isoliertes ich auf keiner der Seiten, wir tun dies gemeinsam! 

 

Ashtanga Yoga spricht seit jeher eine ganz besondere Art von Menschen an.
Menschen die immer weiter machen. Die fallen und weiter machen.

Die kommen, wieder kommen, wieder und wieder.

 

Seit ich Daily Ashtanga Yoga in 2017 gegründet habe war es immer mein Anliegen, die Menschen, die mir gegenüber treten, wirklich zu sehen. Die Individualität nicht nur zu respektieren, sondern genau dieser Individualität einen Raum zum Entwickeln und Entfalten zu geben.

"Schau was passiert, wenn Du das machst. Probier es aus. Vertrau Deiner eigenen Erfahrung."

 

Es entwickelt beim Übenden einen tiefe Verwurzelung im Selbst, sich nicht mehr von außen, den Wogen des Meeres umherschleudern zu lassen, sondern fähig zu sein, in diesem wilden Meer als Kapitän zu navigieren und die Richtung selbst zu bestimmten.

 

Achtsamkeit & Self Care

 

Niemand von uns, jedenfalls nicht in meiner Generation hier im Westen, hat eine solche Situation je erlebt.

Es ist natürlich, dass wir verunsichert sind, Fragen & Ängste haben, verwirrt sind, weil wir nicht so Recht wissen, wie wir uns verhalten sollen.

Die gesamte Menschheit ist gerade sehr verletzlich und sensitiv, wir erfahren alle möglichen Emotionen, auch welche, die wir seit langer Zeit nicht hatten oder sogar noch nie. Wir sind alle wie mit einem Hammer gehauen worden, und jeder versucht nun wieder in seine Balance zurückzuschwingen.

Worin ich mich in den letzten Wochen geübt habe ist, mir dieser Sensitivität bewusst zu sein und sie anzunehmen.Zu sitzen und damit in Frieden zu sein, mit all diesen Schichten, die das Leben gerade drauf setzt.

Die Yoga Praxis ist nun wirklich ein reines SELF CARE Praxis geworden. Und das muss sie auch.

So macht es für mich nur Sinn, diesen Raum auch weiterhin so beherzt aufrecht zu erhalten.

Für die Gemeinschaft.

 

Wenn Du Lust hast einmal vorbeizuschauen, findest Du hier die Online Stunden.

 

Namasté

Jeannine

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Cornelia Groß (Sonntag, 17 Mai 2020 20:32)

    Liebe Jeannine, danke für diese bewegenden Zeilen. Jeder empfindet diese Zeit anders, ich bedanke mich jeden Tag beim Schöpfer für das Geschenk des Ashtanga in meinem Leben und die Zugehörigikeit zur großen, weltweitn Ashtanga-Community, die sich täglich beim Mantra verbindet. Nur so kann ich wie ein Kapitän, wie du so schön sagst, stabil durch diese seltsame, transformierende Zeit gehen. Alles Liebe, bis wir uns auf der Matte wieder sehen.
    Cornelia

  • #2

    Tina Langen (Sonntag, 17 Mai 2020 20:43)

    Danke Jeannine für das immer wieder "Mutgeben".
    Auch als eigener Kapitän verliert man ab und zu die Richtung. Mit Hilfestellungen kommt man aber immer wieder weiter. Ich freu mich auf weitere Fahrten.

  • #3

    Jeannine (Donnerstag, 21 Mai 2020 21:35)

    Danke Cornelia und Tina für Euren Worte. :-)