Was habe ich bei Prem und Radha im Ashtanga Yoga Bali Research Center gelernt?

1. Weniger ist mehr!

Nach Absprache mit Radha habe ich am ersten Tag nur die Standpositionen geübt und war damit glücklich. Die Standpositionen definieren sie hier übrigens anders als Ron Steiner bis hin zu Virabhadrasana B – Ronald zählt die Standpositionen bis Parshvottanasana. Sie haben mir in jeder Position Anreize gegeben, wie ich die Position stabiler, kraftvoller und harmonischer ausführen kann, so dass sich die Kraft über den gesamten Körper gleichmäßig verteilt und nicht in einzelnen Körperregionen lokalisiert ist. Ein tolles Gefühl, das den energetischen Fluss so richtig spüren lässt. So habe ich jede Position so erfahren, als hätte ich sie zum ersten Mal eingenommen. Asana, die ich schon an die 1000 Mal geübt habe (wie ich eben berechnet habe), und die mir mit der Zeit sehr leicht vorkamen, konnte ich so wieder im Körper eines Anfängers erleben: es hat gewackelt und gezittert, ich musst mich stärker konzentrieren und bekam am ersten Tag sogar Muskelkater! Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal von den Fundamentals Muskelkater hatte, aber es ist mindestens 3 Jahre her! Die Standpositionen unterrichten Sie mit 8 Atemzügen, so hätten sie es bei Pattabhi gelernt. Das war anfangs ungewohnt und wesentlich anstrengender als „nur“ 5 Atemzüge. Die Praxis dauert etwas länger, dennoch möchte ich dies für meine Selbstpraxis mit nach Hause nehmen. Auf dies Weise hatte ich noch mehr Zeit, in den Körper hineinzuspüren, die Position tiefer zu erleben und den energetischen Aspekt genauer zu erfahren. Gerade wenn man Schmerzen in einer Position hat, ist dies außerdem eine Möglichkeit hineinzuspüren, was man ändern kann, damit der Schmerz verschwindet. Einfach wow, ich hätte nie gedacht, dass drei Atemzüge so einen Unterschied machen!

 

Von der Ausrichtung her (wo Hände & Füße?) unterrichtet Ron ähnlich wie Prem und Radha, so dass ich die Fußpositionen nicht ändern musste (was z.B. bei Lino Miele der Fall ist). Das Einnehmen der Positionen zeigen sie auf eine anatomisch fundierte, stringente Weise. 

2. Immer dem Lehrer sagen, wenn etwas weh tut. Auch wenn es wie eine Kleinigkeit scheint!

Wenn mir etwas unangenehm war, habe ich den Lehrern Bescheid gegeben, woraufhin sie mich genau bei der Ausführung ALLER Positionen beobachtet haben und mir in bestimmten Positionen Tipps gegeben haben, wie ich sie ändern kann, auf was ich bei den Bandhas besser achten kann und wie ich die Atmung gezielter nutzen kann. Alles in allem Tipps, die ich auch selbst wusste, aber sie nochmal deutlich ausgesprochen und ganz bewusst zu üben hat mir wirklich sehr geholfen, diese Verbesserungen aktiv in die Praxis zu integrieren. 

3. Buy an ayurvedic book!

Da ich die beiden immer wieder mit Ernährungsfragen gelöchert habe, haben sie mich stark ermutigt, mich noch tiefer mit Ayurveda zu beschäftigen, um den Rhythmus des Verdauungsfeuers und Einflüsse darauf selbst herauszufinden und diese durch gezielte Lebensmittel und Selbstanwendungen (z.B. Massagen) selbst abpuffern zu können. Ihre ayurvedische Konsultation war sehr hilfreich. Sie sehen die tägliche Zufuhr der Nahrung und die Lebensweise (was man arbeitet, wann man arbeitet, wie lang man arbeitet, mit welchen Menschen man sich umgibt, was man in seiner Freizeit tut, sowie das Verhältnis zwischen Arbeit und Entspannung) als Grundstein für die Balance der Gesundheit. Diese Balance gilt es für sich selbst einzustellen. Denn jeder Körper ist einzigartig und reagiert entsprechend einzigartig auf äußere Einflüsse wie z.B. heißes oder kaltes, Klima, trockenes oder feuchtes Klima, süßes, saures, scharfes, salziges Essen etc. Was man trinkt, wann man trinkt, wie viel man trinkt, und welche Temperatur alles Zugeführte hat. Alles beeinflusst den Körper und den Geist. Durch gezielte Nahrung kann ich den Körper gesund und den Geist klar halten oder eben ungesund und zerstreut werden lassen.

 

Prem hat bei Dr. Vasant Lad (sehr berühmter ayurvedischer Arzt) vier Jahre lang täglich Ayurveda studiert und ihn überall hin begleitet. Er hat ein unglaubliches Wissen über Ayurveda und auf jede Frage eine Antwort. Die Antworten sind auch immer überaus logisch, und da dachte ich oft, Mensch, Jeannine, darauf hättest Du ja auch mal selbst kommen können. Das finde ich auch das faszinierende an Ayurveda. Es ist so unglaublich einfach und logisch und man kann die Wirkung eines Lebensmittels direkt im Körper spüren. (Warum möchte man an einem knallend heißen Tag Wassermelone oder Minze? Weil sie kühlend wirken!). Wenn man während des Kauens, Schluckens und Verdauens in sich hineinspürt, kann man in jedem Stadium die Wirkung eines jeden Lebensmittles spüren. Das ist das tolle am Ayurveda. Man muss also keine großen Bücher wälzen, es genügt schon, bewusst zu essen und nach dem Essen bis zur Toilette hineinzuspüren, was das Lebensmittel in mir macht!  Als Yogi lohnt es sich sehr, sich schrittweise mit den Grundgedanken des Ayurveda vertraut zu machen. So wird in allen Lebensbereichen Balance erreicht, nicht nur auf der Matte, sondern eben auch im Stoffwechsel und in den Arbeits- & Lebensgewohnheiten. Yoga und Ayurveda sind Sister Sciences!

4. Find a „80% practise“ that fits to you, do it daily to exactly the same position!

Die Ashtanga Yoga Praxis dient dazu, den Körper jeden Tag bis ins hohe Alter gesund zu erhalten. Wir putzen uns jeden Tag die Zähne und duschen (bevor wir das Haus verlassen. Wie fühlt es sich an, wenn wir mit ungeputzten Zähnen aus dem Haus gehen? Genauso fühlt es sich an, morgens kein Yoga zu üben. Die Reinigung und die Vorbereitung auf den Tag fehlen. Es geht dabei nicht darum, jeden Tag eine bestimmte Zeitspanne zu üben oder vollkommen mechanisch eine Sequenz „runterzureißen“. Durch den Atem im Moment zu sein, jede einzelne Zelle des Körpers durch die tiefe Atmung mit Sauerstoff zu versorgen, über den Schweiß die Toxine herauszubefördern und die Verdauung (agni) anzuregen. All dies sind physische Dinge, die wir durch die Asana Praxis erreichen. Es ist nichts spirituelles daran, einen flexiblen Körper zu haben, ein Bein hinter den Kopf bringen zu können oder sich grazil in einen Handstand zu liften. Dies dient lediglich dazu, dem Geist zu zeigen, dass man etwas erreichen kann, was man vorher für undenkbar gehalten hat. Flexibilität (v.a. in den Hüften) und Kraft (v.a. im Rumpf) sind aber unabdingbar, um den Körper auf das Sitzen in der Meditation vorzubereiten (es geht dann um die letzten drei Glieder des achtgliederigen Pfades, dharana, dhyana und samadhi). In einem schmerzenden Körper kann man nicht meditieren, dann dann ist der Geist nur damit beschäftigt, eine angenehmere Sitzposition zu finden. Fühlt sich der Körper weich und leicht an, so kann man auch leicht meditieren, und hier beginnt die spirituelle Reise.

5. Don't believe anyone! It must be verifiable for you!

Prem hat ein paar Dinge gesagt, die nachhallend in mir wiederkehren und die ich hier als Zitate wiedergeben möchte:

 

 „There is nothing spiritual on the asana practise. You just do your practise to be able to play this game longer (er meint damit das Leben). I'm not a spiritual teacher, I'm an asana teacher. If you're looking for a spiritual teacher you have to search for someone else. And please do never believe anything that anyone tells you or what is written anywhere. Don't believe me or any other teacher! Do never follow any person blindly! It must be verifiable FOR YOU. You have to make an experience with it. If it's not verifiable for you, then go on and search for your own truth. 

It's inside you.“

Die Ashtangi Gruppe im März 2018: Bora (CZ), Martin (DE), ich, Peter (NL), Vivien (CHN), Inge (DE), Sarah (CA) und nicht auf dem Bild: Betty (DE), Coralie (FR), John (CA), Joanne (UK), Cliff (US) und Emma (AUS)

 

Liebe Grüße an Euch alle

 

Jeannine

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Cornelia (Dienstag, 03 April 2018 08:24)

    Liebe Jeannine vielen FNk für den super Reisebericht. Bestätigt eigentlich alles was ich seit Jahren an mir studiere. Ayurveda begleitet mich auch. Nur leider in unserer Gesellschaft wenig Spuren davon. Ist halt dann ein Kompromiss. GLG Cornelia